Coq au Vin – Huhn im Rotweinpott
Wenn die Tage kürzer werden und der Atem draußen kleine Wölkchen macht, dann hol ich den gusseisernen Topf runter, der schon mehr Winter gesehen hat als mancher Heizlüfter. Coq au Vin ist so ein Gericht, das sich nicht beeilt und gerade deswegen pünktlich ist. Es riecht nach Rotwein, nach Speck und nach Geduld – und glaub mir, Geduld schmeckt. Früher, als wir nach dem Holzholen reinkamen und die Stiefel am Ofen dampften, hat Oma Grete die Küche im Griff gehabt, aber den schweren Rotwein durft ich einschenken. Nicht in die Gläser – in den Topf. Ein ordentlicher Burgunder oder was Kräftiges aus dem Regal, nix Parfümiertes, nix Dünnes.
Das Schöne an dem Gericht: Es ist kein Theater. Ein paar Hähnchenschenkel, Zwiebelchen, Champignons, Wurzelzeug. Der Speck macht die Tür auf, der Wein tritt ein, der Thymian hängt den Mantel auf, und die Zeit erledigt den Rest. Du fängst an, wenn die Nachrichten laufen, und isst, wenn die Nachbarskatze heimschleicht. In der Zwischenzeit klappert’s freundlich, und die Küche riecht so, dass auch der letzte Nörgler vom Handy hochschaut.
Und ja, ich weiß: In manchen Büchern wird da geflambiert, als wär Fasching. Kann man machen, muss man nicht. Ein Schuss Cognac geht, aber der Star ist der Rotwein. Wichtig ist die Grundlage: das Anrösten. Farbe im Topf ist Geschmack im Teller – einfacher wird’s nicht. Wenn du denkst, es wird zu dunkel, bist du meistens gerade richtig. Tomatenmark kurz mitrösten, Mehl drüberstöbern, ablöschen, Deckel drauf, und der Rest ist Warten.
Coq au Vin ist Winterküche mit Haltung. Es wärmt ohne Süßholz, es sattelt ohne zu kleben. Dazu Kartoffelpüree, Nudeln oder schlicht ein Laib Brot, das Kruste hat. Und wenn einer meint, Rotwein im Essen sei Verschwendung, dann hat er noch nie gesehen, wie aus einem groben Haufen Zutaten etwas Ruhiges, Rundes wird.
Man schmeckt die Spaziergänge im Nebel, das Holz im Korb, die nassen Handschuhe am Haken. Und am Ende sitzt man am Tisch, löffelt Sauce, zählt die Pilze und sagt wenig – weil’s nichts zu meckern gibt. Genau so soll’s sein.
Zutaten für ca. 4 Portionen
- Hähnchenschenkel, 4 Stück (à 250–300 g)
- Frühstücksspeck (Bauchspeck), 150 g, in Streifen
- Champignons, 300 g, geviertelt
- Perlzwiebeln (geschält, frisch oder TK), 200 g
- Karotten, 2 Stück (200 g), in 2 cm Stücken
- Knoblauch, 3 Zehen, grob zerdrückt
- Tomatenmark, 1 EL (20 g)
- Weizenmehl, 1,5 EL (15–20 g)
- Trockener Rotwein, 750 ml
- Hühnerfond, 250 ml
- Cognac, 30 ml (optional)
- Thymian, 4 Zweige
- Lorbeer, 2 Blätter
- Petersilie, ½ Bund, grob gehackt
- Butter, 30 g
- Olivenöl, 2 EL
- Salz, 2 TL (nach Geschmack)
- Schwarzer Pfeffer, frisch gemahlen
- Optional: 1 TL Zucker oder Honig (für die Säurebalance)
Zubereitung – Schritt für Schritt
Die Hähnchenschenkel rundum trocken tupfen und mit Salz und Pfeffer würzen. Einen schweren Bräter auf mittelhohe Hitze setzen, Speckstreifen ohne zusätzliches Fett auslassen, bis sie goldbraun sind. Speck herausheben, Fett im Topf lassen. Falls sehr wenig ausgelassen wurde, 1 EL Olivenöl ergänzen.
Hähnchenschenkel portionsweise im Speckfett scharf anbraten, pro Seite etwa 4–5 Minuten, bis kräftige Bratspuren da sind. Herausnehmen und neben den Speck legen. Im gleichen Topf Champignons bei hoher Hitze bräunen, bis sie Kanten bekommen, ebenfalls herausheben. Hitze etwas reduzieren, 1 EL Olivenöl und 15 g Butter zugeben. Perlzwiebeln und Karotten 3–4 Minuten anschwitzen, dann Knoblauch und Tomatenmark einrühren und 1 Minute rösten, bis es leicht dunkel wird – das ist Geschmack. Mit dem Mehl bestäuben, gründlich verrühren, 30 Sekunden mitrösten. Mit Rotwein ablöschen, dabei den Bratensatz mit dem Holzlöffel lösen. Hühnerfond angießen. Thymian und Lorbeer zugeben. Wer mag, gibt jetzt den Cognac hinein (nicht zwingend flambieren). Eine Prise Zucker oder Honig rundet die Säure, wenn der Wein sehr kantig ist.
Hähnchen, Speck und Champignons zurück in den Topf, einmal sanft aufkochen. Hitze herunterdrehen, Deckel drauf, bei kleinster Blubberstufe 60–75 Minuten schmoren, bis das Fleisch fast vom Knochen fällt. Zwischendurch einmal wenden.
Zum Schluss den Deckel abnehmen und die Sauce 10–15 Minuten offen sämig einkochen, Hitze leicht erhöhen. Mit Salz und Pfeffer abschmecken. Restliche Butter in kleinen Flocken einrühren (glänzt und bindet). Thymianzweige und Lorbeer entfernen, mit Petersilie bestreuen. Servieren mit Kartoffelpüree, breiten Bandnudeln oder knusprigem Landbrot. Und hör auf den Opa: Sauce nicht sparen.
Varianten & Tipps
- Weißwein-Variante (Coq au Vin Blanc): Rotwein durch trockenen Weißwein ersetzen, Speck reduzieren, dafür 1 EL Zitronensaft am Ende.
- Pilzlastig: 50 g getrocknete Steinpilze (eingeweicht) mit schmoren – gibt Waldtiefe.
- Marinieren: Hähnchen über Nacht in 500 ml Rotwein, etwas Zwiebel, Pfeffer, Thymian ziehen lassen; vor dem Anbraten gut abtrocknen.


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