Schlehen-Aufgesetzter „Frostkuss“

Wenn die Felder leer sind und die ersten Nebel wie alte Decken über die Hecken hängen, weißt du: Es ist Schlehenzeit. Früher bin ich mit meiner Grete am Sonntag raus, die Hände in alten Wollhandschuhen, Eimer im Kofferraum. Die Sträucher kratzen, die Vögel schimpfen, und irgendwo knackt ein Zweig, als wollte der Busch sagen: „Nimm nur, aber sei anständig.“ Schlehen wollen Frost – nicht weil sie romantisch sind, sondern weil die Gerbstoffe dann endlich klein beigeben. Aber wer auf den echten Frost wartet, steht oft hinter den Amseln an. Also ab in die Tiefkühltruhe mit den Beeren, mindestens 24 Stunden. Das ist nicht Mogelei, das ist Handwerk mit Stromanschluss.

Korn nehme ich, weil er ehrlich ist. Kein Parfum, keine große Show – nur eine saubere Bühne für die Frucht. Wodka geht auch, aber Korn hat bei uns Tradition, und die macht man nicht nur an Weihnachten. Kandis? Ja. Er löst sich langsam und zieht die Aromen freundlich aus den Schlehen, ohne den Likör stumpf zuzukleistern. Eine Schale Orange, ein Hauch Vanille, zwei Nelken – nicht mehr. Das Gewürz ist Statist, die Schlehe spielt die Hauptrolle.

Die Geduld macht den Unterschied. Sechs, acht, zehn Wochen – und nein, du wirst dadurch kein besserer Mensch, aber der Likör wird runder. In der Zeit schüttelst du das Glas wie einen alten Freund: kurz, herzlich, ohne Theater. Wenn du später abseihst, lass die Geduld noch einmal ran. Einmal grob, einmal fein, dann ruht das Ganze. Zwei Wochen im Keller, und auf einmal ist da Klarheit im Glas, die man nicht kaufen kann.

Ich trinke den ersten Schluck gern im Advent, wenn draußen jemand den ersten Spekulatius angezündet hat. Der Likör ist tiefrot, riecht nach Hecke, kalter Luft und etwas Mandeligem aus den Kernen – keine Angst, solange du die Dinger ganz lässt. Der Geschmack? Zuerst säuerliche Frucht, dann warme Süße, am Ende das leise Kitzeln vom Korn. Kein Likör für die Massen, eher was für Leute, die wissen, woher ein Kratzer an der Hand kommt und warum das gut ist.

Und wenn du eine Flasche verschenkst: keine goldene Schleife, kein Firlefanz. Ein handgeschriebener Zettel, „Schlehe 2025“, reicht. Wer den Herbst im Glas hat, braucht keinen Zuckerguss.

Zutaten für ca. 1,2 Liter

  • 800 g Schlehen, gefroren und wieder aufgetaut
  • 500 g brauner Kandiszucker
  • 700 ml Korn (32–38 % vol)
  • Zeste von 1 Bio-Orange (dünn abgeschält)
  • 1/2 Vanilleschote
  • 2 Nelken
  • kleines Stück Zimtstange (ca. 2 cm)
  • Optional zum Nachsüßen: 100 g Zucker + 100 ml Wasser (für Sirup)

Zubereitung – Schritt für Schritt

Die geernteten Schlehen waschen, gut abtropfen lassen und mindestens 24 Stunden einfrieren, dann auftauen. Die Beeren mit einem sauberen Zahnstocher hier und da anstechen, ohne die Steine zu verletzen. In ein großes, steril gereinigtes Ansatzglas (mind. 2 Liter) geben. Kandis, Orangenzeste, die aufgeschlitzte halbe Vanilleschote, Nelken und das Stück Zimt zufügen. Mit Korn vollständig übergießen, bis alles gut bedeckt ist; oben etwa zwei Fingerbreit Luft lassen. Glas dicht verschließen, einmal sanft schwenken, dann dunkel und kühl (10–18 °C) stellen. In den ersten zwei Wochen jeden zweiten Tag kurz schütteln, danach 1–2 Mal pro Woche, bis der Kandis restlos gelöst ist. Nach 10–14 Tagen die Gewürze herausfischen, damit sie nicht dominieren; die Schlehen bleiben drin. Nach 6–8 Wochen erstmals probieren. Wer mehr Tiefe will, lässt bis 10–12 Wochen ziehen.


Zum Abseihen durch ein feines Sieb gießen, Beeren nur leicht ausdrücken, nicht quetschen. Danach durch ein sauberes Tuch oder Kaffeefilter filtrieren. Wenn du mehr Rundung möchtest, einen einfachen Sirup kochen (Zucker und Wasser 1:1, 2 Minuten leise köcheln, abkühlen lassen) und esslöffelweise unterrühren, bis die Balance stimmt. Den Likör in sterilisierte Flaschen füllen, gut verschließen und mindestens 2–4 Wochen im Kühlen reifen lassen. Je länger die Ruhe, desto klarer der Geschmack. Lagerung dunkel und kühl; anständig gearbeitet hält er 1–2 Jahre, wird dabei milder.

Varianten & Tipps

• Mit Rum (40 % vol) statt Korn wird’s dunkler und karamelliger; Kandis dann um 50–100 g reduzieren.
• Wer es zitrischer mag, gibt zusätzlich ein paar Tropfen feinen Orangengeist beim Abfüllen dazu.
• Für extra Klarheit den Likör vor dem Filtern 48 Stunden bei 4 °C „kaltstellen“, dann setzt sich Trub besser ab.

Heinz Tipp: Die Steine lässt du in Ruhe. -  Kein Zerstoßen – das gibt Bitterkeit und Ärger. 
                   Der Mandelduft kommt von allein, wenn du geduldig bist.

Heinz Tipp zu Weihnachten als Geschenk *

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