Martinsgruß – klassischer Rumtopf mit Restobst vom Herb

Der November trägt die abgeernteten Gärten wie einen dicken Wollmantel. Auf den Tischen liegen Äpfel, die beim Anstupsen satt nachgeben, Birnen mit mattem Glanz, letzte Pflaumen, ein paar Trauben, vielleicht eine Quitte, die mehr Duft als Saft verspricht. 

Nach dem Laternenzug wärmt draußen das Feuer die Hände, drinnen soll etwas anderes wärmen: ein Rumtopf, der den Herbst einfängt und ihm ein langes Echo schenkt. Nicht spektakulär, aber zuverlässig – wie ein alter Emailletopf, der nie zickt. Die Methode ist einfach und verzeiht viel, wenn man sauber arbeitet und die zwei Pfeiler respektiert: genügend Alkohol und genügend Zucker. Beides zusammen zieht Wasser aus dem Obst, bindet Aromen und hält unerwünschte Gäste fern. Kein Festakt, eher eine ruhige Küchenarbeit, die nach reifem Obst riecht und nach Gewürz nur so viel, wie ein dunkler Mantel Innenfutter braucht.

Der Anlass liegt auf der Hand: Sankt Martin bringt Licht in die Dunkelheit, und wer nach dem Zug heimkommt, möchte etwas schenken können, das wärmt, ohne zu prahlen. Ein Rumtopf erfüllt genau das – kleine Gläser, die man im Kreis herumreicht, während nasse Jacken am Stuhl lehnen und die Laternen über der Heizung trocknen. Man merkt, wie die Küche voller November wird: dumpfes Klacken der Messer, weiche Fruchtwürfel, Zucker, der beim Einfüllen leise raschelt, dann der Moment, in dem Rum über die Schichten läuft und die Oberflächen glänzen wie polierter Apfel. Nichts Eiliges steckt darin. Der Topf arbeitet allein, solange er bedeckt, kühl und dunkel ruht.

Die Gelingsicherheit hat Gründe: Reifes, unversehrtes Obst, grob gleiche Stücke, ein sauberer, heiß ausgespülter Steingut- oder Glasbehälter, ein Alkohol mit mindestens 54 % Vol., dazu Zucker in der klassischen Faustregel von etwa der Hälfte des Fruchtgewichts. Wer das einhält, bekommt Extrakte statt Matsch, runde Süße statt klebrigem Überschuss. Eine Quitte will kurz vorgegart werden, Pflaumen lieben es entsteint, Äpfel und Birnen bleiben schälbar, aber nicht obligatorisch. Gewürze sind Beiwerk; Zimt, Vanille, ein paar Nelken – alles nur so dosiert, dass das Obst den Ton hält. Der Rest ist Geduld. Sechs Wochen reichen für einen ehrlichen, jungen Ansatz; drei Monate geben Tiefe; bis Weihnachten wird er verbindlich, bis Neujahr seidig. Und wenn jemand fragt, warum es gelingt: Weil Osmose kein Märchen ist, und weil Novemberfrüchte ihren Frieden damit machen, im Rum weiterzuleuchten. Ein Rumtopf ist kein Trick, sondern eine Methode, die leise funktioniert – wie Laternenlicht, das mehr zeigt, als man auf den ersten Blick vermutet.

Zutaten für ca. 2–3 Liter Ansatz:

• 1,5 kg gemischtes Herbstobst (z. B. Äpfel, Birnen, Pflaumen, blaue Trauben, 1 kleine Quitte)
• 750 g Zucker
• 1,5–2 l brauner Rum (mind. 54 % Vol., nach Bedarf zum Auffüllen)
• 1 Bio-Orange (Schale als Zeste)
• 1 Vanilleschote
• 1 kleines Stück Zimtstange (ca. 3–4 cm)
• optional: 4–6 Gewürznelken
• 1 großes, hitzebeständiges Glas oder Steingutgefäß mit Deckel (3–4 l)

Zubereitung – Schritt für Schritt:

Das Gefäß gründlich mit kochendem Wasser sterilisieren und kopfüber auf einem sauberen Tuch abtropfen lassen (sauberes Arbeiten senkt das Risiko für Fehlgärungen). Die Vanilleschote längs aufritzen, die Orangenschale mit dem Messer als breite Zeste abziehen, Zimt und Nelken bereitlegen.

Die Quitte schälen, Kerngehäuse entfernen, in 1,5 cm Stücke schneiden und in wenig Wasser 5–8 Minuten simmern, bis sie beim Anstupsen nachgibt; gut abtropfen und auskühlen lassen (kurzes Vorgaren verhindert holzige Stücke). Äpfel und Birnen entkernen, nach Wunsch schälen, in gleichmäßige Stücke schneiden. Pflaumen entsteinen und halbieren. Trauben waschen und gut trocknen, große Beeren halbieren. Alle Früchte sollten trocken sein – Feuchte an der Oberfläche erhöht die Verwässerung.

Eine erste Lage Obst ins Gefäß geben, einstreuen, bis die Oberfläche gut mit Zucker bedeckt ist, dann Gewürze punktuell dazwischen schichten. Weiter so fortfahren, bis Obst und Zucker aufgebraucht sind; mit einer Zuckerschicht enden (der Zucker löst sich später komplett und stabilisiert die Osmose). Falls das Obst kräftig saftet, einmal sanft anklopfen, damit keine Luftnester bleiben (Luft fördert Oxidation).

Mit Rum aufgießen, bis alles sicher bedeckt ist – zwei Finger über Fruchtoberkante sind eine gute Orientierung. Ein Stück Backpapier direkt auf die Oberfläche legen und leicht andrücken, dann den Deckel schließen (Kontaktabdeckung hält treibende Stücke unten). Kühl und dunkel ziehen lassen. In den ersten zwei Tagen kontrollieren: Sinkt der Flüssigkeitsspiegel, so viel Rum nachfüllen, bis wieder alles bedeckt ist (freiliegendes Obst kann braun werden).

Alle 7–10 Tage das Gefäß kurz kippen und drehen, nicht schütteln (sanfte Bewegung fördert gleichmäßige Extraktion). Nach 6 Wochen probieren: Der Sud sollte klar gewürzig, fruchtig und weich alkoholisch riechen. Wenn die Süße zu dominant ist, mit weiterem Rum abschmecken; wenn zu stark, einen Teil Sud abnehmen und mit etwas abgekochtem Zuckersirup 1:1 angleichen (vorher kalt werden lassen, sonst trübt es). Wenn einzelne Stücke aufschwimmen, mit einem sauberen Löffel eindrücken; bildet sich trüber Schleier, sofort prüfen: riecht es „weinig“ oder gärig, war der Alkohol zu schwach – in diesem Fall hochprozentigen Rum nachgießen und die oberste Schicht entfernen.

Für das Servieren einzelne Fruchtstücke mit Sirup in kleine Gläser geben und mit Rumtopf-Sud überlaufen lassen. Als Dessert über Vanilleeis oder Grießflammeri, als kleiner Gruß nach dem Umzug in wärmenden Gläsern. Rest stets bedeckt und kühl lagern.

Varianten & Tipps:

• Ohne Gewürzklassiker: nur Vanille und Orangenzeste – der Fokus liegt dann deutlicher auf dem Obst.
• Für „Martinsfeuer“-Note: 2 dünne Streifen Ingwer und 1 Nelke hinzufügen; gibt Wärme ohne Schärfe.
• Heller Ansatz: statt braunem Rum einen klaren Übersee-Rum (54 %) verwenden; die Frucht bleibt optisch heller.
• Geschenkversion: Früchte in kleine, steril ausgespülte 250-ml-Gläser aufteilen und mit Sud bedecken; sauber verschließen.

Heinz’ Tipp: Wenn’s an Medizin erinnert, war der Gewürzbeutel zu ehrgeizig – Gewürze rausfischen, mit frischer Orange und einem Schluck Rum nachjustieren, dann passt der Ton wieder.


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